Viernheim, September 2015 In einem Gespräch mit der neuen Leiterin Irene Finger informierte sich die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion und Bergsträßer Bundestagsabgeordnete Christine Lambrecht über die aktuelle Situation und die Arbeitsschwerpunkte des Diakonischen Werks Bergstraße in Bensheim.
Finger, die die Leitung im Februar dieses Jahres übernommen hat, berichtete, dass sich die Diakonie Bergstraße zurzeit in einem Umstrukturierungsprozess befinde. Leider werden heute viele soziale Projekte nur unzureichend finanziert. Deswegen müssen wir uns stärker auf Hauptaufgabenfelder konzentrieren, auch wenn wir gerne mehr machen würden, wie beispielsweise in der Flüchtlingshilfe, erläuterte Finger den Hintergrund für die notwendigen Veränderungen.
Ein Arbeitsschwerpunkt wird auch in Zukunft im Bereich der psychosozialen Betreuung liegen. Die Zahl der psychischen Erkrankungen steigt stetig, gerade bei jüngeren Menschen, erklärte Finger. Daher startete die Diakonie im Jahr 2013 mit einem speziellen Angebot für junge Menschen in seelischen Krisen zwischen 18 und 27 Jahren. Im Rahmen der SprungSchance werden niederschwellige Beratungen und eine dauerhafte Begleitung in Form von ambulant Betreutem Wohnen angeboten.
Auf Frage von Lambrecht nach den Ursachen für die Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Jüngeren erklärte Finger: Der gesellschaftliche Druck nimmt stetig zu, sodass Schule und Ausbildung hohe Anforderungen an die jungen Menschen stellen. Gleichzeitig nimmt der Rückhalt in den Familien ab. Beziehungsabbrüche durch Trennungen gehören zum Alltag und Eltern haben eigene Themen, die sie viel Zeit und Kraft kosten, die eigentlich für die Entwicklung der Kinder essentiell wichtig wären.
Lambrecht wies darauf hin, dass auf Druck der SPD die Situation für Alleinerziehende verbessert worden sei: Wir haben den Steuerfreibetrag erhöht, die Kinderbetreuung verbessert und setzen uns für familienfreundliche Arbeitszeiten ein. Politik kann aber nur die Rahmenbedingungen verbessern, letztlich sind in Erziehungsfragen die Eltern gefordert.
Ein weiteres wichtiges Arbeitsgebiet ist die Schuldnerberatung. Ich hoffe sehr, dass die Diakonie auch die Schuldnerberatung fortführen und ausbauen kann, sagte Finger. Mehr finanzielle Unterstützung forderte Finger auch im Bereich der Tafeln. Zwar ist die Spendenbereitschaft der Lebensmittelgeschäfte gut, trotzdem sei der Betrieb der Tafeln aufgrund der Mieten und Kühlkosten mit hohen finanziellen Belastungen verbunden. Ich würde mir wünschen, für unsere vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die wirklich großartige Arbeit leisten, eine bessere hauptamtliche Betreuung bieten zu können, sagte Finger. Lambrecht versprach, sich für eine bessere finanzielle Unterstützung der Tafelarbeit bei den Kommunen einzusetzen.
Insgesamt zog Finger eine positive Bilanz ihrer ersten sechs Monate als Leiterin der Diakonie Bergstraße: Die Diakonie ist gut aufgestellt und ich schaue optimistisch in die Zukunft. Ich bin sicher, mit den guten und erfahrenen Mitarbeitenden, die die Diakonie hat, alle Herausforderungen stemmen zu können.
Nach dem Gespräch in der Geschäftsstelle besuchten Finger und Lambrecht gemeinsam das Zentrum der Wohnungslosenhilfe (ZdW) der Diakonie, das sich ebenfalls in Bensheim befindet und für den Kreis Bergstraße zuständig ist. Das Angebot umfasst für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen einen Tagesaufenthalt, Übernachtungsmöglichkeit, Fachberatungsstelle, Betreutes Wohnen sowie weitere Unterstützungsmöglichkeiten für Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten.
Die Angebote des Zentrums werden sehr gut angenommen. Kostenträger sind neben dem Landeswohlfahrtsverband Hessen und dem Kreis Bergstraße auch Neue Wege. Probleme bereitet dem ZdW derzeit die Übernachtung mit zwei zuständigen Ämtern als Ansprechpartner. Hier ist das Ziel Verbesserungen in der Ausführung der täglichen Arbeit zu erreichen.
Wir helfen Menschen, die beispielsweise abends um 22 Uhr in einer Notlage übernachten wollen. Da sie in der Regel keinen Leitz-Ordner bei sich tragen, helfen wir unbürokratisch und müssen damit umgehen, dass manche Dokumente nicht beizubringen sind. Trotzdem muss die Kostenübernahme gewährleistet sein, sagte Alexandra Weißhaar, Einrichtungsleiterin des ZdW. Die wesentliche Ursache für Wohnungslosigkeit liegt neben psychosozialen Problemen im Fehlen bezahlbaren Wohnraums im Kreis Bergstraße. Der Bedarf nach kleinen, verfügbaren und preiswerten Wohnungen ist riesig, erläuterte Frank Hillerich, Mitarbeiter im ZdW.
Lambrecht bedankte sich abschließend für das informative Gespräch und sagte: Ich habe heute sehr viele Einblicke in die Arbeit der Diakonie gewonnen. Trotz aller Herausforderungen, die es im Bereich der sozialen Arbeit gibt, bin ich überzeugt, dass das Diakonische Werk Bergstraße seine hervorragende Arbeit mit Irene Finger als neue Leitung und den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch in Zukunft fortsetzen wird.