Keine Zeit zum Snoezelen

Dass er trotzdem nicht gehastet wirkt, liegt daran, dass er
Übung darin hat, sympathisch und ungezwungen freundlich bleibt.
Landratskandidat Gerald Kummer (SPD), der auf seiner
„Kümmer-kümmert-sich“-Tour den Landkreis Bergstraße bereist, um sich
vorzustellen und zu hören, was sich andere vorstellen, hört beeindruckt zu.
„Das Gesamtportfolio ist erschlagend“, sagt Dreiss und zeigt auf das vor ihm
auf dem Tisch ausgebreitete Leistungsspektrum in Form von auf Karten
gedrucktem Info-Material. „Es ist wie meine Firma“, sagt der Mann, der seit
20 Jahren bei der Lebenshilfe ist, der sie beim Zivildienst kennenlernte –
und blieb.
Die Behindertenhilfe ist seit dem gewachsen. Sie betreut, fördert und
unterstützt, gibt annähernd 500 Menschen mit Behinderung in drei
Werkstätten einen Arbeitsplatz, unter Anleitung von qualifiziertem
Fachpersonal. „Arbeiten heißt dabei sein“, steht auf einem der Schuber, in
denen die Palette der Möglichkeiten gesammelt ist: Elektromontage, Metall-
und Holzverarbeitung, Wäscherei und anderes. Die Wäscherei, im modernen Haus
in Lorsch untergebracht, sei keine Großwäscherei im herkömmlichen Sinn. „Wir
waschen beispielsweise fürs Rote Kreuz mit chemothermischer Desinfektion von
Arbeitskleidung, legen aber selbst Hand an“, erklärt Dreiss.
Alles unter dem Motto „mittendrin“. So nennt sich auch die Werkstattzeitung,
die zweimal im Jahr erscheint. Eine für Gerald Kummer nicht überraschende
Erkenntnis: Die Lebenshilfe als Arbeitgeber und kompetenter Partner
erwirtschafte mehr als sie koste. Der Kandidat wird durch die weit- und
vielräumige Anlage geführt, besichtigt die einzelnen Werkstätten, wo eifrig
und konzentriert gearbeitet wird, aber auch einen Ruheraum zum Snoezelen.
Snoezelen, wird dem Gast erklärt, sei eine Wortschöpfung aus dem Englischen
„snooze” und „doze” (dösen), worunter der Aufenthalt in einem gemütlichen,
warmen Raum zu verstehen ist, in dem leise Musik erklingt und Lichteffekte
erzeugt werden. Doch zum Snoezelen bleibt heute keine Zeit.
„Wie kann ich mich kümmern?“, fragt Kummer nach Problemen. Nun, der Landrat
sitzt mit drei Bürgermeistern im Aufsichtsrat der GmbH, hat also direkten
Einblick in Themen, Probleme und Aufgaben. Dreiss wäre nicht Dreiss, wenn
ihm dazu nichts einfiele. Inklusion sei ein Riesenthema, bei dem die Politik
gefragt ist. Denn die Aufgabe, behinderte Menschen in die Gesellschaft
aufzunehmen, sie anzunehmen und sie nicht mehr auszuschließen, werde viel
Geld kosten. Ältere Menschen mit Behinderung seien ein großes Problem.
Früher seien Menschen mit Down-Syndrom nicht viel älter als 40 Jahre alt
geworden. Heute würden Down-Patienten 70 und älter. Dreiss überrascht mit
der Information, dass wegen der pränatalen Diagnostik immer weniger Menschen
mit dem Down Syndrom das Licht der Welt erblickten. Kummer erschüttert,
hätte sich das „nicht vorstellen können“. „Es gibt eine große Konkurrenz im
Sozialbereich, viele streiten sich um die Töpfe. Wir können Unterstützung
fürwahr gebrauchen“, gibt der bhb-Geschäftsführer dem Landratskandidaten mit
auf den Weg – zum nächsten Termin.