Halbzeitbilanz der Landesregierung miserabel

Bergstraße. Im Rahmen seines landespolitischen Rechenschaftsberichts hat der Landtagsabgeordnete Norbert Schmitt im Unterbezirksvorstand der Bergsträßer SPD die Halbzeitbilanz der schwarzgelben Koalition in Hessen als „schlicht miserabel“ bezeichnet.

„Nach zweieinhalb Regierungsjahren von CDU und FDP in der laufenden Wahlperiode und knapp einem Jahr Ministerpräsidentschaft von Volker Bouffier ist festzustellen, dass die Regierungspolitik endgültig zum Stillstand gekommen ist. Es herrscht Flaute statt frischem Wind nach dem Wechsel von Roland Koch zu Volker Bouffier. Gestaltungsverweigerung ist das tragende Prinzip dieser Regierung“, sagte Schmitt. Es bliebe der Opposition vorbehalten, die zentralen Themen inhaltlich voranzubringen, wie vor allem die SPD-Gesetzentwürfe für ein neues Schulgesetz und zur Energiewende gezeigt hätten.

Von einem Neuanfang nach dem Wechsel von Koch zu Bouffier könne man wahrlich nicht sprechen. Im Gegenteil habe Volker Bouffier seine Vergangenheit als Skandalminister Nummer eins, der beispielsweise einen riesigen Berg von Problemen bei der Polizei hinterlassen hat, in die neue Regierung mit hineingeschleppt.

In den entscheidenden politischen Fragen erweise sich der Ministerpräsident mit seiner Regierung vor allem als ratlos. „Der Energiegipfel wird zur Nachhilfestunde für eine Regierung, über die die Entwicklung längst hinweggegangen ist. CDU und FDP haben Hessen bei der Energiewende ans Tabellenende geführt und verschenken damit ein riesiges Potential für Wertschöpfung und Arbeitsplätze.“ Die SPD-Fraktion habe mit den Gesetzentwürfen für den Vorrang Erneuerbarer Energien und für das Wärmegesetz Meilensteine für eine landespolitische Zielsetzung vorgelegt.

In der Bildungspolitik ist technokratisches Vorantasten der kleinste gemeinsame Nenner zwischen CDU und FDP, während die Pädagogik auf der Strecke bleibt. Von individueller Förderung und Chancengleichheit sei in der Bildungspolitik der Landesregierung keine Spur zu finden. Mit ihrer Bildungspolitik werde die Landesregierung den Herausforderungen nicht im Mindesten gerecht, erläuterte Schmitt. „Das Grundproblem, dass der Bildungserfolg der Kinder viel zu stark von ihrer Herkunft abhängt, wird schlicht ignoriert. Hier setzt sich die hessische CDU mit der rückständigsten Position innerhalb der CDU-Landesverbände in der Koalition weiterhin durch.“ Der SPD-Landtagsabgeordnete kritisierte, dass die Landesregierung die Chance verpasst habe, mit der Opposition konstruktiv und ernsthaft über das Schulgesetz zu verhandeln. „Das Angebot war da. Die SPD hat mit ihrem Schulgesetz-Entwurf die entsprechende Vorarbeit geliefert, aber die Landesregierung kann sich von ihrem ideologischen Korsett nicht befreien. Das zeigt auch, dass der von Ministerpräsident Bouffier angekündigte neue Stil ein Muster ohne Wert ist.“

Ignoranz beweise die Landesregierung bei allen Fragen, die die Arbeitswelt und den sozialen Zusammenhalt beträfen. „Während die SPD einen Gesetzentwurf zum Schutz des Mittelstands und seiner Beschäftigten vor Dumpingkonkurrenz vorgelegt hat, dämmert die Landesregierung vor sich hin.“ Die Einführung von Mindestlöhnen, die Begrenzung der Leiharbeit und Maßnahmen gegen die zunehmende Befristung von Arbeitsverhältnissen seien das Gebot der Stunde, aber die Landesregierung verschlafe auch dieses Thema.

Schmitt warf der Landesregierung vielfachen Wortbruch vor. „Wortbruch beim Nachtflugverbot, bei den Mindeststandards für Kindertagesstätten, bei der Lehrerversorgung, beim Sonderopfer für Beamte, beim Ausbildungsbudget – die Versprechen von Ministerpräsident Bouffier und seiner Ministerriege haben sich allzu oft als Täuschungsversuche erwiesen.“

Als „Dauerbaustellen“ der Landesregierung wertete Schmitt die zahlreichen Skandale und Affären, die immer noch der Aufarbeitung bedürften. „Das Steuerfahnder-Mobbing, die Polizeichef-Affäre, die Affäre Thurau, die rechtswidrigen Vergabeverfahren, die undurchsichtige EBS-Förderung und viele weitere prägen das Bild dieser Landesregierung. Gerade Ministerpräsident Bouffier hat seinem Nachfolger im Amt des Innenministers einen Scherbenhaufen hinterlassen, der die Arbeit der Polizei weiterhin schwer beeinträchtigt.“ An Aufklärung zeigten CDU und FDP kein Interesse, sondern behinderten beharrlich die Arbeit der beiden Untersuchungsausschüsse. „Die SPD wird aber auch hier nicht locker lassen und die Aufklärung konsequent fortführen. Der Staatsgerichtshof hat die Koalition ja bereits in ihre Schranken gewiesen“, sagte Schmitt, der auch dem Untersuchungsausschuss zur Steuerfahnder-Affäre angehört.

Einen zentralen Vorwurf von Norbert Schmitt gegenüber der Landesregierung wurde von den anwesenden Kommunalpolitikern sogar noch verstärkt. Schmitt hatte der Landesregierung „kommunalfeindliches Verhalten in nie dagewesener Manier“ vorgehalten. Jürgen Kaltwasser, Bürgermeister in Lautertal, verwies auf die neuste Berechnung des Finanzwissenschaftlers Martin Junkernheinrich (Universität Kaiserslautern), die den Nachweis erbringt, dass die hessischen Städte und Gemeinden vom Land deutlich weniger an finanzieller Unterstützung erhalten als ihnen zusteht. In einer Stellungnahme für den Haushaltsausschuss des Landtages kritisiert der Finanzwissenschaftler insbesondere, dass das Land jährlich rund 360 Millionen Euro aus dem Kommunalen Finanzausgleich kürze. Dies sei nicht gerechtfertigt. Die Kürzungen basierten auf falschen Annahmen, so Junkernheinrich. Nach seinen Angaben gibt es bei der Steuerverteilung zwischen Land und Kommunen einen Korrekturbedarf von fast einer Milliarde Euro zugunsten von Gemeinden und Kreisen.

„Alle Versuche des Schönredens seitens der Landesregierung sind damit entlarvt“, sagte der Norbert Schmitt dazu. Hessen gehe mit den Finanzen der Kommunen in einer Art und Weise um, „die nur noch als hemmungslos bezeichnet werden kann“.