
Die Bergsträßer CDU-Spitze verbrüdert sich ausgerechnet mit jenen Parteifreunden, die in Hessen und im Bund wesentliche Mitschuld an der Finanzmisere der Städte haben, was soll ich als Bürger davon halten ? so die Kernfeststellung von Viernheims Bürgermeister Matthias Baaß bei einem Pressegespräch der Kreis-Sozialdemokraten in Viernheim.
Anlass für seine Betrachtung ist insbesondere der Besuch des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Christean Wagner in dieser Woche im Kreis Bergstrasse. Weder Parteiparolen noch Schönheitsreparaturen werden ausreichen, so Baaß, um die Probleme zu lösen, stattdessen ist eine tiefgreifende Modernisierung des Staatsaufbaus und des Finanzsystems nötig. Für die Kreis-SPD gehen die aktuellen Äußerungen der CDU-Spitze im Landkreis Bergstraße am Kern der sich stellenden Herausforderung völlig vorbei.
Jens Klingler, 1. Stadtrat in Lampertheim: Die schwerwiegenden Finanzprobleme des Landkreises und der Städte und Gemeinden werden doch auch von der CDU nicht in Abrede gestellt. Doch wenn es darauf ankommt, wird gekniffen. Klingler spielt damit auf den Pressetermin der Kreis-CDU mit Wagner an, bei dem dieser unwidersprochen behaupten durfte, dass das Land den Kommunen helfe, zum Beispiel mit Geld zum Stopfen von winterlichen Schlaglöchern. Baaß: Verschwiegen wird, dass die gleiche CDU uns vorher das Geld weggenommen hat. Die bisher gezahlte jährliche Investitionspauschale, die genau für solche Fälle gedacht war, sei nicht nur für Viernheim für das Jahr 2011 von bisher 250.000 auf 150.000 gekürzt worden. Und die andere Hälfte des Betrages werde aus Mitteln finanziert, die den Städten verfassungsgemäß sowieso zustehen.
Mit einer der Kernursachen der Finanzierungsschwierigkeiten der hessischen Städte habe sich die CDU an der Bergstraße bisher nach wie vor nicht auseinandergesetzt, so Baaß. In Deutschland gelte weder Wer bestellt, bezahlt! noch Wer bezahlt, sollte bestellen können!. Jens Klingler: Dass bislang andere bestellen, wir vor Ort aber die Rechnung begleichen müssen, dieses Prinzip kann nur zu miserablen finanziellen Ergebnissen führen, da eine höhere politische Ebene versucht sich auf Kosten der untersten politischen Ebene, der Selbstverwaltung der Bürger, zu sonnen.
Katrin Hechler, Spitzenkandidatin der SPD für die Kreistagswahl: Wenn ranghohe CDU-Politiker wie die Herren Schäuble und Wagner im Kommunalwahlkampf an die Bergstraße kommen, muss die örtliche CDU-Spitze in der Lage sein ihren Parteifreunden offen die Meinung zu sagen. Stattdessen findet derzeit eine Verbrüderung durch Verschweigen statt !
Matthias Baaß: Verantwortung für den Kreis Bergstraße wahrnehmen, heißt genau in diesen Momenten das Wort für den Landkreis und die Städte zu erheben und kein Blatt vor den Mund zu nehmen. In diesen Zeiten darf keine Parteibrille aufgesetzt werden!
Für die Sozialdemokraten wird jetzt erkennbar, dass die CDU kein Konzept zur Lösung der Probleme hat und stattdessen, wie der Bergsträßer Bundestagsabgeordnete Meister darauf setzt, dass die Konjunktur dauerhaft anspringt und es infolgedessen den Kommunen wieder besser geht. Norbert Schmitt, MdL: Das möge hoffentlich so sein, wird aber nicht ausreichen, denn die Probleme sind tiefgreifender. Das SPD-Konzept ist mit Der Staat muss sich ändern! überschrieben und will mit fünf Kernfestlegungen für inhaltliche Qualität und wirtschaftliche Effizienz des Staatsaufbaus sorgen:
a)Die, die zahlen, müssen bestellen dürfen. Die, die bestellen, müssen zahlen.
b)Einnahmen und Ausgaben werden für jeden Steuerzahler nachprüfbar offen gelegt.
c)Mit einer staatlichen Aufgabe dürfen sich allenfalls noch zwei Staatsebenen beschäftigen, nicht mehr bis zu vier verschiedene. Starke Städte übernehmen mehr Aufgaben.
d)Die Städte stehen am Beginn der Verteilung von Steuereinnahmen, nicht mehr am Ende.
e)Starke Städte setzen auf Teilhabe ihrer Bevölkerung und nutzen deren Engagement für das Gemeinwesen.
Die derzeitige Verbrüderung der CDU Bergstraße mit der Landes- und Bundes-CDU sei in Erinnerung an all die Lasten, die den Kommunen aufgebürdet worden seien, nicht mehr nachzuvollziehen. Jens Klingler macht dies am Beispiel Lampertheims nochmals deutlich: Bund und Land beschließen Steuersenkungen, das Land kürzt die Mitel für die Kommunen und fordert im gleichen Atemzug ausgeglichene Gebührenhaushalte bei den Gemeinden und Städten.
Insgesamt seien der Stadt Lampertheim über 2 Millionen weggenommen worden. Diese Mittelentnahmen durch Bund, Land und Kreis entsprechen einer dauerhaften Minderung der Einnahmen um 5%. Die Stadt Lampertheim müsste ihren Grundsteuerhebesatz verdoppeln, um eine vergleichbare Summe einnehmen zu können. An den Mehreinnahmen sind dann aber alle anderen auch sofort wieder beteiligt, so dass am Schluss eine deutlich geringere Summe verbleibt.
Was solle der Bürger derzeitig von der CDU Bergstraße halten: vor Gericht verklagt man das Land Hessen, bei Presseterminen im Wahlkampf würden die Gründe für die eingereichte Klage nicht ausgesprochen, stattdessen lasse man unverblümtes Eigenlob der Landes-CDU anhand nachweisbar falscher Fakten zu. Matthias Baaß: Wer Probleme, die von uns nicht herbeigeredet werden, sondern die offensichtlich sind, lösen will, darf um diese nicht herumreden, sondern muss Lösungen anbieten.